Stellungnahme zur Novelle des Berliner Hochschulgesetzes

Prof. Dr. Carsten Busch übergibt die spitze Feder an die Abgeordnete Dr. Ina Czyborra
Prof. Dr. Carsten Busch übergibt die "spitze Feder" an die Abgeordnete Dr. Ina Czyborra

14. Juni 2021 — Der Ausschuss für Wissenschaft und Forschung hat sich am 14. Juni mit dem Gesetz zur Stärkung der Berliner Wissenschaft befasst. Hierzu fand eine Anhörung der Beteiligten statt. Als Sprecher der Rektoren und Präsidenten der Berliner Fachhochschulen nahm Prof. Dr. Carsten Busch, Präsident der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW Berlin), Stellung zum Gesetzesentwurf.

Der Berliner Senat hatte am 8. Juni 2021 die Novelle des Berliner Hochschulgesetzes beschlossen. Hintergrund ist der knappe Zeitrahmen für die Novelle, die das letzte große Vorhaben der Senatskanzlei Wissenschaft unter der Führung des Regierenden Bürgermeisters und Wissenschaftssenators Michael Müller sowie des Staatssekretärs Steffen Krach ist. Nun wird sich das Abgeordnetenhaus mit dem „Gesetz zur Stärkung der Berliner Wissenschaft“ befassen.

Stellungnahme von Prof. Dr. Carsten Busch im Wissenschaftsausschuss:

Beenden Sie die strukturelle Diskriminierung der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, für unsere Studierenden und unseren wissenschaftlichen Nachwuchs!

 

Herzlichen Dank für die Einladung und für die Möglichkeit, hier Stellung zu nehmen zum Entwurf für ein neues Berliner Hochschulgesetz!

In den letzten 40 Jahren habe ich viele solcher Gesetzentwürfe kommen und gehen sehen. Gegen einige habe ich heftig protestiert und sogar schon einmal einen Wissenschaftssenator ausgebuht.

Lieber Herr Müller, das tue ich heute nicht. Aber freuen Sie sich nicht zu früh! Dieser Gesetzentwurf ist noch nicht so gut, wie die Berliner Wissenschaft es verdient. Und auch nicht so gut, wie Sie und diese Koalition es eigentlich können.

Frau Kunst hat bereits auf vieles hingewiesen, was aus Sicht der Berliner Hochschulen und der LKRP noch zu verbessern ist. Dem kann ich mich weitgehend anschließen.

Dass die Kunsthochschulen und namentlich Professor Palz als ihr Sprecher heute nicht zur Anhörung eingeladen wurden, ist sehr bedauerlich. Deshalb möchte ich stellvertretend für die Kunsthochschulen zwei Punkte ansprechen:

a) Die Berliner Hochschullandschaft lebt von ihrer Vielfalt: Große und kleine, ein reichhaltiges Spektrum an Fächern, klassische Voll-Universitäten und profilierte Sparten-Hochschulen. Der Gesetzentwurf atmet demgegenüber zu stark den Geist großer Bürokratie, in der alles einheitlich verregelt werden müsse und für jedes Anliegen eigene Büros oder Beauftragte zu schaffen seien. Das behindert die Großen, erstickt die Kleinen und ist kontraproduktiv für die Künste. Bitte, geben Sie den Hochschulen Gestaltungsfreiheit! Vor allem auch den kleineren und den künstlerischen Hochschulen.

b) Die Universität der Künste braucht für die internationale Wettbewerbsfähigkeit das künstlerische Promotionsrecht. Andere EU-Staaten und Bundesländer sind hier schon weiter als Berlin. Ergänzen Sie bitte diese Promotionsmöglichkeit in § 2.

Eigentlich spreche ich hier heute für die Berliner Fachhochschulen: die Alice-Salomon-Hochschule, die Beuth-Hochschule, die Evangelische Hochschule, die Hochschule für Wirtschaft und Recht, die Katholische Hochschule für Sozialwesen und natürlich meine Hochschule, die HTW Berlin.

Aus dieser Perspektive möchte ich drei Punkte akzentuieren:

  1. Nomen est Omen: Die Hochschulrektorenkonferenz plädiert bundesweit für die Benennung als „Hochschulen für Angewandte Wissenschaften“, HAW. Im Gesetzentwurf findet sich das ab und an. Das ist ein erster Schritt, wir würden uns aber sehr freuen, wenn es im fertigen Gesetz dann durchgängig verwendet wird. Bitte übernehmen Sie auch die Vorschläge der Alice-Salomon-Hochschule und der Beuth-Hochschule für die Änderung ihrer jeweiligen Namen.
  2. Dass gemäß § 28 künftig studentische Beschäftigte bei der Beratung von Studierenden und Studieninteressierten eingesetzt werden können, ist wichtig. Es wird die Beratung verbessern und helfen, neue Arbeitsplätze für Studierende zu schaffen. Wir hätten das schon zu Beginn der Pandemie gebraucht; aber gut, dass es jetzt kommt.
  3. Auch die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften haben einen gesetzlichen Auftrag zur Forschung. Diesen können wir ohne Promotionsrecht nur unvollständig erfüllen. Deshalb bitten wir, in § 2 Abs. 5 wir folgenden Satz zu ergänzen: „Die Hochschulen für angewandte Wissenschaften haben das Promotionsrecht in qualitätsgesicherten Forschungsumfeldern“.

Ich appelliere hier nachdrücklich an die Koalitionsfraktionen: Halten Sie Wort und beenden Sie die strukturelle Diskriminierung der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, für unsere Studierenden und unseren wissenschaftlichen Nachwuchs! Nicht erst in 10 Jahren als letztes Bundesland, sondern jetzt!

Die Akzeptanz des neuen Gesetzes durch die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften wird von genau diesem Punkt abhängen.

Sie haben Ihren Entwurf „Gesetz zur Stärkung der Berliner Wissenschaft“ genannt.  Das ist ein hoher Anspruch, der auch eingelöst werden muss. Damit das klappt, habe ich ein kleines Geschenk mitgebracht. Die zweitstärkste Waffe der Wissenschaft: Eine spitze Feder. Unscheinbar, aber richtig gehandhabt, besser als jedes Schwert.

Da jetzt das Parlament die Federführung für das Gesetz übernimmt, geht das Geschenk an den Präsidenten des Abgeordnetenhauses. Sehr geehrter Herr Wieland: Bitte übernehmen Sie!

Was ist denn die stärkste Waffe der Wissenschaft?

Der scharfe Verstand! Und den verschenken wir nicht.

 

Ein Video der Sitzung wird in den kommenden Tagen auf dem Youtube-Kanal des Abgeordnetenhauses von Berlinverfügbar sein.