Kapitel 6 | Gebäude D: VEB KWO

Im nächsten Innenhof stehen

Schauen Sie mal durch den Zaun: Kabeltrommeln, Lieferfahrzeuge, ein Kran — hier, südlich von Hallenblock 2, ist der industrielle Charakter des Areals allgegenwärtig. Hier werden noch immer Kabel gefertigt. Bevor wir uns jetzt näher mit der Kabelproduktion befassen, betrachten wir kurz die südliche Giebelfassade von Hallenblock 2, rechts von uns. Sehen Sie die kleinen, über das Dach ragenden Türmchen? Wir kennen sie von der Giebelfront von Gebäude A. Dieselbe historistische Fassadengestaltung finden wir auch bei dem Gebäudekomplex direkt gegenüber, dem Hallenblock 5. Auch er gehört zu jener frühen Generation von Fabrikgebäuden, deren Fassaden noch geschmückt waren. Heute sitzt in der Halle die BDK — die Berliner Drahtzieh- und Kunststoffaufbereitungs GmbH. Die Firma gehört, ebenso wie die KWO GmbH, zur Wilms Gruppe, dem größten Kabelhersteller Deutschlands. Aber was beinhaltet die Kabelproduktion eigentlich? Das erklärt uns jetzt Matthias Rasch. Er war von 1994 bis 1997 Geschäftsführer der KWO GmbH, arbeitete aber bereits in den 1980ern auf dem Gelände.
 
(O-Ton Matthias Rasch)

"Man sieht auf der rechten Seite hinten das erste Kabelwerk, bis heute das Herz der Kabelproduktion. Und linker Hand die Halle 5 und das hohe Gebäude dahinter, das Gebäude 3 — das sind Gebäude für die Vorprodukte, also das heißt, den Drahtzug oder die Plaste, die als Ummantelungsmaterial genutzt wird. Ganz hinten sieht man noch dieses graue Gebäude, in dem Gummi produziert wird — also Gummi oder Plaste als moderne Ummantelung. Und die haben dann die Kabelgebäude, die zur Wilhelminenhofstraße hinstehen (...) versorgt mit den Vorprodukten. Das Material kam dann, nachdem es mehrmals durch die Hallen durchgegangen ist, durch verschiedene Maschinen, auf die Straße, auf große Trommeln. Die konnten nur noch bewegt werden, mit großen Kranbahnen und man sieht ja hier in der Mitte die gesamte Straße ist überspannt mit einer riesigen Krananlage, die praktisch den Versand (...) der fertigen Kabeltrommeln auf LKWs realisiert haben. Die LKW fuhren hier vor, stellten sich unter die Kranbahnen und dann wurden die Trommeln verladen."

Die BDK und das Kleinunternehmen KWO GmbH nutzen heute natürlich nur noch einen Bruchteil des einstigen Areals. Wir drehen uns jetzt um und durchqueren den Durchgang von Gebäude C. Danach biegen wir gleich rechts in die Johannes-Kraatz-Straße ein und gehen vor bis zum Gebäude G.

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Durch den Tunnel bis zur Straße gehen

Kehren wir einen Moment zur Zeit um 1989 zurück. Mit dem Ende des Kombinats KWO war auch ein Stück DDR-Industriegeschichte zu Ende gegangen. Als Stammwerk von 13 Betrieben galt das KWO als Zentrum der ostdeutschen Kabelproduktion und exportierte in über 100 Länder.

Bis zur Spreehalle gehen

Das hatte — wie schon bei der AEG — Auswirkungen auf den Ort. Schöneweide war eines der größten industriellen Ballungszentren der DDR. 1990 arbeiteten 25.000 Menschen in den Großunternehmen entlang der Wilhelminenhofstraße. Über die Jahre waren betriebseigene Kulturhäuser, Polikliniken, Kindergärten, aber auch günstige Mietwohnungen entstanden. Das KWO-Gelände war zu jener Zeit ein gewaltiger betriebsamer Industriekomplex: Die Kabeltrommeln stapelten sich sogar in den Straßen; für die unzähligen Arbeiter, die hier im Schichtdienst tätig waren, gab es häufig nur ein beschwerliches Durchkommen. Heute sieht man hier statt ihrer HTW-Studierende — vor allem vor Gebäude G, der sogenannten Spreehalle. 1960/61 erbaut und von Architekt Nalbach hochschulgerecht saniert, bildet sie gewissermaßen das Herz des Campuslebens. Sie beherbergt unter anderem die Mensa, die Cafeteria und die Bibliothek. Falls geöffnet ist, sollten Sie unbedingt einen Blick hineinwerfen. Architekt Nalbach bemühte sich, den formalen Ausdruck der Halle zu bewahren, hat diesen jedoch erneuert und ergänzt. Der Unterschied ist leicht zu erkennen: Die alte Tragewerkskonstruktion von 1961 wurde weiß gestrichen, die neu hinzugefügten Elemente sind in grauem Sichtbeton gehalten. Sollte geschlossen sein, ist das aber auch nicht schlimm. Der nächste Track führt uns außen um dieses außergewöhnliche Gebäude herum. Er startet vor dem Eingang.

(Schritte)